Mittwoch, 3. September 2014

Tagebuch eines Goblins VIII


Welche Verrückten greifen während eines Sturmes ein Schiff an? Die Antwort lautet Grindylows! Es ist ihre bevorzugte Taktik, anzugreifen während der Gegner im Hintertreffen ist.

Da wir Besatzungstechnisch stark unterbesetzt sind und dieser Sturm das übelste ist, was uns bisher heimgesucht hat, kommen die Grindylows zur Unzeit!
Von allen Seiten kommend, nutzen sie die Saugnäpfe ihrer Tintenfischtentakel um an Bord der Reef Claw zu klettern.  Tork am Ruder brüllt Befehle und versucht das Schiff irgendwie über Wasser und am Wind zu halten. Die Crew erwehrt sich der Grindylows, muss aber gleichzeitig auch das Schiff über Wasser halten.
Walbur und Crost rücken den Angreifern vom Achterdeck zu leibe, während Reckless und meine Wenigkeit vom Bug agieren. Mitten im Kampf erschüttert ein Aufprall die Reef Claw und das Bersten von Schiffsplanken lässt die Mannschaft kurz innehalten und jagt uns einen Schauder über den Rücken.
Schnell können wir den meisten Grindylows den Garaus machen, doch der Schaden ist angerichtet.
Das Schiff ist auf ein Riff gelaufen und nur Torks Künsten am Ruder verdanken wir es noch Planken unter unseren Füßen zu haben. Eine kurze Bestandsaufnahme bringt allerdings die nächste Hiobsbotschaft …  man mag es kaum glauben, aber es fehlen wieder einmal Sandara und Barefoot! Ob die das extra machen? Wenn sie jedenfalls sexy wären, aber es sind halt Menschen … was will man da erwarten!
Die Grindylows müssen die Beiden unbemerkt verschleppt haben … die Alternative gefällt hier keinem! Wer bei diesem Wetter über Bord geht, ist unweigerlich verloren.

Am Morgen lässt der Sturm nach und die aufgehende Sonne offenbart uns eine kleine Insel, die sich an das Riff anschließt. Idyllisch wiegen sich Palmen im Wind, die Wellen brechen sich an einem weißen Sandstrand  und in der Ferne reckt sich ein Gebirge in den Himmel. Am Rande eines Sumpfgebietes stehen offensichtlich verlassene Hütten.
Kurz entschlossen hinterlässt Tork Instruktionen für die Schiffsreperatur und das Beiboot wird zu Wasser gelassen. Reckless, Crost, Walbur, Tork und ich gehen auf Rettungsmission.
Die wenigen hundert Meter über kristallklares Wasser sind schnell überbrückt und wir gehen am Rand des verlassenen Dörfchens an Land. Nichts rührt sich hier und im sumpfigen Boden sind keine Spuren zu entdecken. Bemerkenswert scheinen nur die in regelmäßigen Abständen drapierten Skelette zu sein. Alle blicken mit leeren Augenhöhlen auf das Meer hinaus … vielleicht eine Art Abschreckung?
Im Dörfchen beginnt ein Bohlenweg, dem wir folgen und der direkt in den Sumpf führt. Die drückende Hitze lässt den üblen Geruch noch unerträglicher werden. Fiese Moskitos schwirren nervtötend um uns herum und mir kommen Zweifel, ob wir Sandara und Barefoot hier finden werden.

Die vermissten Mädels haben wir nicht gefunden. Dafür aber jede Menge Moskitos und sie mögen uns mehr als uns lieb ist… ein riesiger Schwarm dieser Viecher kommt direkt auf uns zu, als wir versuchen über einen morastiges Flüsschen zu kommen. Völlig zerstochen gelingt es uns nur mit großer Mühe die Plagegeister zurückzuschlagen und den Schwarm zu zerstreuen. Als ob das nicht genug wäre, lauern im Morast der Furt auch noch zwei große Frösche … mit langen Zungen … sehr langen Zungen. Ein Glück nicht länger als Kampfzauber und eine gute Muskete reichen. Nun ist der Morast voller Froschlaich…en, das ist mal Goblinhumor …
Hätte Walbur nicht in einiger Entfernung ein großes Zelt gesehen, wären wir spätestens jetzt schon lange auf dem Rückweg. Doch so geht es tiefer in diesen elenden Sumpf, direkt auf diesen Zeltplatz zu.
Um den Stamm einer riesigen Mangrove wurde eine Zeltplane mit eigenartigen Symbolen drauf gespannt. Je näher wir kommen, desto intensiver wird der Gestank nach muffigem Morast, faulender Flora und verwesendem Aas. Kurz vor dem Zelt wird es unerträglich. Schritt für Schritt geht es in einiger Entfernung um das Zelt herum. In extremer Verlangsamung werden mich die nächsten Szenen noch lange verfolgen …

… durch die Zeltöffnung sehe ich nach und nach Haufen von Kleidung, Gegenständen, dann Arme, Beine, einen Torso … angebissen und zum Teil abgenagt … der verwahrloste Kopf einer ehemals gut aussehenden Frau blickt mich aus toten Augen an … als ich realisiere, das sich dieser Kopf samt verwesendem Körper auf mich zubewegt, höre ich die erschrockenen Rufe meiner Kameraden. Angst und Ekel wallen in mir auf und nur mit Mühe kann ich ein Würgen unterdrücken.
Reflexartig ziehe ich den Abzug durch und das beruhigende Gefühl des Rückstoßes meiner feuernden Muskete gibt mir neue Hoffnung. Die Kugel schlägt ein und reißt ein Loch in den Ghoul. Der sollte hinüber sei … beim viergeteilten Klabauter, das ist doch nicht möglich … diese Untote Ex-Hure rappelt sich hoch und schließt sich ihren Schwestern wieder an als wäre nichts geschehen …

Voller Adrenalin, am ganzen Leib vor Erschöpfung zitternd, aus einigen Wunden blutend und einer guten Grundlage für alptraumbewehrte Nächte, stehen wir nach hartem Kampf in den stinkenden Überresten unserer Angreifer. Allen Ekel überwindend inspizieren wir kurz, sehr kurz das Zelt.
Danach flüchten wir vom Ort des Geschehens und lassen diesen Höllensumpf hinter uns.
Am Rande einer Graslandschaft lassen wir es ruhiger angehen und schauen uns auf der Suche nach einem Nachtlager um. In einiger Entfernung sind verwilderte Felder und Gemüsegärten zu sehen. Ein Weg führt in die Berge, an dessen Ende man ein kleines Quadrat aus Palisaden erkennen kann.

Wir schauen uns an und die unausgesprochene Übereinkunft, zumindest heute nicht mehr durch den Sumpf zurückzukehren, steht jedem ins Gesicht geschrieben

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